3 – Über die große Wiese

Wir wollen keine Katze mehr. Wir hatten eine, es war eine lange, schöne Zeit mit ihr, gestern mussten wir sie gehen lassen. Sie hatte ein schönes Leben. Ich mache mir einen Kaffee und gehe nachdenklich hinaus, um die Zeitung zu holen. Wie soll das auch gehen, wir haben auch nicht viel Zeit für eine Katze, die Hühner und Schildkröten machen schon Arbeit genug, und Kosten und Urlaub und überhaupt. Nein. Miau. Da liegt sie vor der Haustür. Schwarz mit ein bisschen weiß und dünn und zutraulich und hungrig. Ich streichle sie und sie schnurrt und ich gebe ihr Futter, das von unserer Katze übriggeblieben ist. Sie frisst gierig und weg ist sie wieder. Auch den Nachbarn ist sie aufgefallen, keiner weiß, woher sie kommt und wem sie gehört. Na gut. Von da an taucht sie täglich auf, dasselbe Ritual und ebenso schnell verschwindet sie wieder. Irgendwann höre ich sie dann um Mitternacht, ich füttere sie und werde neugierig. Als sie sich wieder davonmacht, gehe ich ihr nach. Hinunter zum Wald, dann über die große Wiese bis zu einem alten Bauernhäuschen am Waldrand. Sie springt auf das Gartentor, dreht sich noch einmal zu mir um und verschwindet im Vorgarten. Am nächsten Tag macht mir dort eine freundliche Nachbarin auf, ich erzähle ihr vom plötzlichen Auftauchen des Kätzchens und sie erzählt mir, dass ein Bekannter das Tier in Pula gefunden und mitgenommen und dann zu ihr gebracht hat und dass sie sich schon darauf freut, wenn es Junge bekommt. Sicherheitshalber, meint sie, werde sie das Muzerl im Haus einsperren. Drei Wochen müssten wohl genügen, um ihm das Davonlaufen auszutreiben. Die drei Wochen vergehen, sie öffnete die Haustür und wie ein schwarzer Blitz saust das unbelehrbare Wesen davon über die große Wiese, am Wald vorbei hinauf zu uns, rennt durch die offene Haustür, legt sich auf die Couch und beginnt, sich zu putzen, als ob sie das schon immer so gemacht hätte. Wenn ich jetzt erzähle, dass sie damit die freundliche Nachbarin und uns von ihren Absichten endgültig überzeugt und bei uns einzieht, wir ihr den Namen Gipsy geben und sie bald darauf einen kugelrunden Bauch bekommt, sind wir endgültig bei ihm angelangt: Beim Pepper. Fortsetzung folgt …

2 – Die letzte Katze von Pula

Es wird Abend in der Hauptstadt von Istrien, und er beschließt, noch eine Runde in Richtung Hafen zu gehen. Vorbei am Amphitheater schlendert er durch den Park hinunter, in dem die untergehende Sonne lange Schatten wirft. Über dem Meer türmen sich bereits Wolken, das Wetter dürfte umschlagen, und schon wirkt das Hafengelände mit der Schiffswerft Uljanik fast ein wenig gespenstisch. Die Werft hat auch schon bessere Zeiten gesehen, über viertausend Menschen fanden hier Arbeit, jetzt wirkt sie still und verlassen, die Menschen sind weggezogen. Aber es gibt noch Leben bei den Gebäuden, die vielen zurückgelassenen Katzen haben sich in der näheren Umgebung in Schuppen und Gebäuderesten angesiedelt. Von hier aus machen sie wohl ihre Streifzüge in die danebenliegende Einkaufsstraße, um zwischen Bistros und Geschäften irgendetwas Fressbares zu finden. Er sieht die Sonne endgültig hinter den Wolken verschwinden und spürt plötzlich eine Berührung an seinem Fuß. Ein kleines Etwas hat sich angeschlichen und schaut ihn erwartungsvoll aus großen gelben Augen an. Er hockt sich hin und wundert sich, dass das Kätzchen so zutraulich ist, die Katzen, die ihm hier über den Weg gelaufen sind, machten eher einen verschreckten Eindruck. Es ist fast ganz schwarz, am Hals hat es einen weißen Fleck und an den Hinterbeinen weiße Socken. Das Tier fasziniert ihn, obwohl es ziemlich schlecht ernährt zu sein scheint, genießt es seine Zuwendung und beginnt laut zu schnurren. Schade, dass er nichts zu fressen in der Tasche hat, und schade, dass er jetzt wieder weiter muss. Beim Aufstehen fällt ihm auf, dass die Szene von allen Seiten beobachtet wurde, hinter jeder Ecke, jedem Baum leuchten Katzenaugen aus der Dunkelheit.Am nächsten Tag regnet es, und kurz vor der Heimfahrt vertritt er sich noch kurz die Beine. Er zieht sich die Kapuze über den Kopf und spaziert an Geschäften und Lokalen vorbei, um diese Zeit früh im Jahr und bei diesem Regen ist hier nicht viel los, selbst die Katzen scheinen auf besseres Wetter zu warten. Bis auf eine, denn plötzlich sitzt sie wieder da. Schwarz mit weißen Flecken und dünn und patschnass und ebenso zutraulich wie am Vortag. So kann er sie nicht hier sitzen lassen, er überlegt kurz, hebt das Kätzchen auf und nimmt es unter seine Jacke. Und schon schnurrt es wieder. Er geht zu seinem Auto und nimmt es mit nach Hause, nach Graz. Unterwegs kauft er ihr Futter und ist überzeugt, das Beste für das kleine Tier getan zu haben.Kurze Zeit darauf muss er beruflich wegziehen, er bringt das Kätzchen zu einer Bekannten, die in einem alten Bauernhäuschen mit Katzen und Hühnern auf dem Land lebt.Was das alles jetzt mit dem Pepper zu tun hat, erfahren wir in der nächsten Geschichte. Vor kurzem war er wieder in Pula und ist am Hafengelände entlangspaziert. Viele verfallene Gebäude waren saniert, die Werft war geschlossen, Gerümpel entsorgt, der ganze Bereich touristenfreundlich gestaltet. Und es war keine einzige Katze mehr zu sehen.